von D.Sölle:
Es waren die letzten Tage vor der Geburt, und Maria ging von Amt zu Amt,
Gebäude X, Zimmernummer XYZ, und dann längeres Warten auf den Beamten,
der dann doch nicht
zuständig ist, dann Papierr ausfüllen, auf denen immer erst Vater oder Ehemann steht,
immer eine Unterschrift verlangt wird, die Maria, ledig, wohnungssuchend, schwanger,
arbeitslos, nicht leisten konnte...Irgendwann fingen die Wehen an, und sie schleppte
sich in ein leerstehendes, abbruchreifes Haus; es war dunkel, ein Straßenköter hatte
sich auch dahin verirrt und blieb bei ihr.
Wie das bei Erstgebärenden so geht, es dauerte lang, Maria hat sich erbrechen müssen
auf der aufgequollenen und stinkenden Matratze, die da herumlag. Die ganze Nacht war
Krach von der Autowerkstatt nebenan. Josef schlurfte herum, mürrisch und mitleidig
zugleich. Eine Decke hatte er aufgetrieben und sogar einen Eimer lauwarmes Wasser, um
das kind zu waschen. Er hat für beide gesorgt, die ganze Zeit. Es war unruhig; mit
einem Ohr horchte er, ob er nicht der Besitzer des verlassenen Hauses käme oder die
Polizei wegen Hausbesetzung.
Aber dann passierte stattdessen etwas sehr Schönes. Irgendwie hatte sich die
Schwangerschaft des jungen Mädchens doch herumgesprochen, und ein paar Leute kamen
vorbei, die die Sache mit der Arbeitserlaubnis und der Wohnberechtigung und mit der
Angst vor Abschiebung ganz gut kannten. Sie schauten mal nach, wie`s geht, und
mitgebracht hatten auch alle etwas. Es waren mit einem Mal so viel da, dass man sie
nicht einfach hinauswerfen konnte; plötzlich war der vergammelte Raum voller Leute und
viel wärmer, hell wurde es, ein Feuer im Ofen angemacht und Musik, Rock aus dem Taschen-
Radio, das einer der Jungen mitgebracht hat, ging los. Leute, die vorübergingen,
fragten: Ist das schon wieder eine Demonstration ?
Ja, für ein Baby, riefen die Demonstranten. Und die alleinstehende Mutter lachte und
freute sich über den Köter und die vielen Freunde, manche leicht alkoholisiert, über
die Musik und die Wärme, und vor allem über das Kind, das uneheliche, aber wen
interessiert das schon, über das gesunde, das krähende Kind.
Gefunden von Gast.
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